Alle da? – Forschungen zu demographischen Entwicklung im Jungpaläolithikum Europas

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Dr. Isabell Schmidt, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Universität Köln

Ein Blick auf Rekonstruktionszeichnungen eiszeitlicher Landschaften Europas zeigt neben der andersartigen Pflanzen- und Tierwelt vor allem eins: sehr wenige Menschen. Dies mag nicht überraschen, gehen wir doch aufgrund von ethnographischen Beispielen von sehr kleinen Bevölkerungsgrößen und -dichten bei mobil lebenden Jägern und Sammlern aus. Aber wie viele Menschen lebten in der Altsteinzeit Europas? Für die urgeschichtliche Forschung ist dies keine triviale Frage. Zum einen lassen sich wichtige Prozesse, wie zum Beispiel die Ausbreitung des anatomisch modernen Menschen oder das Auftreten und Verschwinden von Kulturen und neuen Wirtschaftsweisen, nur vor dem Hintergrund von Populationsdynamiken ausreichend erklären. Zum anderen fehlen im archäologischen Kontext direkte Belege zur Größe und altersmäßigen Struktur einer prähistorischen Gesellschaft.

In diesem Vortrag wurde ein neuer Ansatz vorgestellt, der anhand archäologischer und ethnohistorischer Daten und mithilfe geostatistischer Methoden Schätzwerte für die Bevölkerungsgröße und -dichte eiszeitlicher Jäger- und Sammler ermittelt. Aufbauend auf detaillierten Studien einzelner Technokomplexe wurden die Ergebnisse zur Demographie dieses seit 2009 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes vorgestellt (Sonderforschungsbereich 806 „Our Way to Europe“, Universität zu Köln). Es konnte eine Gesamtübersicht der Bevölkerungsentwicklung in Europa während des Jungpaläolithikums erstellt werden. Der diachrone Vergleich bestätigt eine generelle Zunahme der Bevölkerung, allerdings liegen die Schätzwerte zur Bevölkerungsdichte deutlich niedriger als bisher vermutet. Zudem lässt sich eine unerwartete Dynamik regionaler Populationen anhand der neuen, räumlich hoch aufgelösten Daten erkennen. Der Vortrag beleuchtete diese Prozesse aus verschiedenen Blickwinkeln und berücksichtigte klimatische sowie soziale und kulturelle Ursachen.